Inspiriert durch meine kürzliche Zusammenarbeit mit Ellen Girod, Gründerin von chezmamapoule.com und Expertin auf dem Gebiet Montessori, kam mir kürzlich folgender Gedanke:
Wie das Essen oder Laufenlernen passiert auch der Spracherwerb bei Kindern auf ganz natürliche Art: wie nebenbei und im jeweils eigenen Tempo des Kindes. Man spricht dabei von einer intrinsischen Motivation, die wir alle von Geburt an in uns tragen. Der Input, der zum Sprachenlernen benötigt wird, ist natürlicherweise in der der kindlichen Umgebung vorhanden. Wir Eltern setzen uns nicht mit unseren Babys hin und lernen Vokabeln und Grammatik. Denn grundsätzlich haben wir das Urvertrauen, dass es „von selbst geschieht“, ohne dass wir gross und tiefgründig darüber nachdenken müssten. Wir sprechen mit dem Kind, lesen ihm vor, singen, kommunizieren mit anderen Erwachsenen. Die Sprache ist einfach da.
Spracherwerb ist intrinsich motiviert
Und doch ist die Faszination um den kindlichen Spracherwerb gross. Innerhalb der Sprach- und Kognitionswissenschaften ist die Frage nach dem Wie ein äusserst spannender und vielerforschter Bereich. Wir wissen beispielsweise, dass Kinder Sprache nicht durch blosses Nachahmen erlernen. Vielmehr besitzen sie eine ihnen angeborene, intrinsische Motivation, dies zu tun. Sprache ist Kommunikation. die Motivation, mit Sprache zu experimentieren, sie zu gebrauchen und etwas mit ihr zu erreichen, trägt das Kind in sich. Es hat von Beginn an ein echtes Interesse und eine unbändige und unübersehbare Freude an Lauten und dem, was man damit alles anstellen kann.
Montessori und der Spracherwerb
Nach dem pädagogischen Ansatz der italienischen Kinderärztin Maria Montessori (1870-1952) ist nicht nur das Erlernen der Sprache, sondern alles Lernen intrinsich motiviert. Sie prägte unter anderem den Begriff „Pädagogik vom Kinde aus“ und stellte die Bedürfnisse und die Individualität des Kindes in den Mittelpunkt. Sie sah in Kindern eigenständige Individuen, die von sich aus und in ihrem eigenen Tempo lernen. Das Lernen versteht sich demnach als eine Erfahrung, die „aus dem Kind heraus entsteht und der Individualität des Kindes genügend Raum lässt“. Montessori ist mehr als ein pädagogisches Konzept. Es wird als eine Lebenseinstellung verstanden, die Kinder in ihrer Eigenständigkeit mit Respekt und Wertschätzung zu begleiten.
Spracherwerb: Noam Chomsky’s Universalgrammatik
Der natürliche Spracherwerb des Kindes ist ein ideales Beispiel für die Wirkweise des Montessori-Prinzips. Anders als der Erwachsene, der die Struktur und den Wortschatz einer neuen Sprache erst erlernen muss, assimiliert das Kind die Sprache ganzheitlich, „in ihrer Totalität“ (Montessori), ohne Differenzierung zwischen Syntax, Semantik und Phonetik. Maria Montessori spricht in diesem Zusammenhang vom „absorbierenden Geist“, Noam Chomsky’s Universalgrammatik, die in diesem Zusammenhang erwähnt werden will, von einem „angeborenen Verständnis darüber, wie Sprache funktioniert“.
Dass sich in der heutigen Zeit immer mehr Eltern für den Montessori- Ansatz interessieren, liegt sicher auch an der Abkehr von den traditionellen Erziehungsmethoden und dem Wunsch vieler, es besser oder zumindest „anders“ zu machen als die vorherigen Generationen. Und auch wenn es vielen Eltern, die das möchten, aus verschiedenen Gründen nicht möglich ist, ihr Kind in eine entsprechende Bildungseinrichtung nach Montessori zu schicken, werden Prinzipien dieses Ansatzes zumindest zu Hause zunehmend gelebt und umgesetzt. Diese Sympathie zeigt sich beispielsweise am Erfolg zahlreicher inspirierender Literatur, Websites, und Social Media (s. beispielsweise chezmamapoule.com, elternvommars.com. Viele Eltern erfahren, dass das Montessori-Konzept sich gut und intuitiv anfühlt und dass es der Natur und der Individualität der Kinder entspricht.
Lesetipp: Gerade jetzt, da Eltern ihre Kinder zu Hause unterrichten, kann Montessori Lösungen und Gelassenheit vermitteln. Ein spannendes Interview zu Montessori und Homeschooling inmitten der Coronakrise gibt es hier zu lesen.